
Eine KI-Software revolutioniert den Versicherungsmarkt
Versicherungsexpertinnen müssen in einem medizinischen Versicherungsfall hunderte oder gar tausende Seiten von Fallakten analysieren. Wie mühselig diese Arbeit ist, weiss Achim Kohli aus seinem früheren Arbeitsalltag als Anwalt.
«Das Studium der PDF-Dokumente ist zeitaufwändig: Die Akten müssen einzeln angeklickt, gelesen, manuell sortiert und nicht zuletzt verstanden werden», erklärt der gelernte Jurist. «Dabei ist es nicht möglich, systematisch auf archiviertes Wissen zurückzugreifen, was die Arbeit zusätzlich erschwert.»
Die Folge sind langwierige Verfahren. Eine verunfallte Person weiss häufig erst nach Monaten oder gar Jahren, ob und welche Versicherungsleistungen bezahlt werden. Und die Versicherung kann ihre Ressourcen nicht präzise einplanen, weil nicht einschätzbar ist, wie der Fall ausgehen wird.

«Die Software ist ein Gamechanger für Versicherungen, Institutionen des Gesundheitswesens und Anwaltskanzleien.»
Achim Kohli
Co-Founder von legal-i
Sämtliche relevanten Daten auf Knopfdruck
Eine Sachlage, die Achim Kohli auf eine Idee brachte: Eine intelligente Software könnte den Prozess beschleunigen. Er gab seinen Job in der Anwaltskanzlei auf und gründete 2019 zusammen mit Software-Ingenieur Markus Baumgartner legal-i.
Die Lösung des Deep-Tech-Start-ups ist revolutionär: Künstliche Intelligenz extrahiert die relevanten Fakten aus den unstrukturierten medizinischen Daten und beantwortet Fachleuten ihre Fragen auf hochstehendem medizinischem Niveau und in natürlicher Sprache – auf Knopfdruck. Wer die Software nutzt, ist um bis zu 80 Prozent schneller und viermal präziser. Damit reduziert sich die Verfahrensdauer bei Unfällen von vielen Jahren auf wenige Monate. Ein entscheidender Faktor für die Wiedereingliederung von verunfallten und kranken Personen.
«Die Software ist ein Gamechanger für Versicherungen, Institutionen des Gesundheitswesens und Anwaltskanzleien», wie CEO Achim Kohli erklärt. Tatsächlich handelt es sich um eine Weltneuheit: Selbst in den USA, dem weltweit grössten Versicherungsmarkt, gibt es keine KI-Lösung auf vergleichbarem Entwicklungsniveau und mit ähnlichem Effizienzgewinn.
Mit zwei Innovationsprojekten zur Marktreife
Bereits bei der Gründung von legal-i spannten Achim Kohli und Markus Baumgartner mit der Berner Fachhochschule zusammen, um die Umsetzbarkeit ihrer Idee zu testen: Im Rahmen eines Innovationschecks von Innosuisse bauten sie gemeinsam einen Software-Prototyp. Um diesen weiterzuentwickeln, lancierte das Start-up nach der Gründung mit demselben Forschungspartner ein Innovationsprojekt. Zwischen Oktober 2019 und März 2022 entwickelte das Team einen KI-basierten Recherche-Assistenten, der Daten und Informationen zu medizinischen Versicherungsfällen ordnet und verknüpft.
legal-i verfügte nun über ein innovatives Produkt – allerdings nur in deutscher Sprache. Für den dreisprachigen Versicherungsmarkt in der Schweiz und den internationalen Markt musste die Software jedoch weitere Sprachen beherrschen. Dies war das Ziel des 18 Monate dauernden Start-up-Innovationsprojekts, das legal-i im August 2023 anstiess.
«Wir transformierten die AI-Modelle so, dass die Software jede europäische Sprache verarbeiten und verstehen kann. Dadurch kann sie in Europa und den USA eingesetzt werden», erklärt Markus Baumgartner wichtige Meilensteine des Projekts.

Förderung hilft kritische Phase zu überbrücken
Mittlerweile ist die Software ausgereift. Nach Projektabschluss im Dezember 2024 erfolgte im Januar 2025 der Markteintritt. Im Frühjahr 2025 zählt das Start-up zehn Mitarbeitende und steht kurz vor dem Überschreiten der Gewinnschwelle. Die beiden Gründer sind sich einig: Ohne die direkte Förderung durch Innosuisse wäre ihr Produkt nicht auf den Markt gekommen.
«Zum einen hätten wir die Forschung und Entwicklung nicht schnell genug vorantreiben können, um rechtzeitig auf den Markt zu kommen. Zum anderen half uns die Förderung, das ‹Valley of Death› zu überbrücken», sagt Achim Kohli. Vielen Start-ups gehen zu diesem Zeitpunkt die Mittel aus, da die anfänglichen Investoren häufig abspringen und grössere Kapitalgeber wie Venture Capital Funds noch nicht investieren, weil der Umsatz noch zu gering ist. Kohli und Baumgartner haben diese kritische Phase erfolgreich überwunden und inzwischen private Investoren für die Marktphase gefunden.
«Ohne die direkte Förderung durch Innosuisse hätten wir die Forschung und Entwicklung nicht schnell genug vorantreiben können.»
Coaching bietet Zugang zu fachlichem Know-how
Neben der finanziellen Unterstützung war für die beiden Gründer auch das zweistufige Coaching von Innosuisse wertvoll. Während der Gründungsphase unterstützte ein Initial Coaching die Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Im Core Coaching begleiteten Coaches von Innosuisse das Start-up schliesslich bei der Umsetzung der Geschäftsstrategie. Dabei tauschte sich der Lead Coach Christian Brand regelmässig mit den Gründern aus und koordinierte die fachliche Unterstützung durch Special Coaches. «Das spezifische Know-how hat uns sehr geholfen», sagt Achim Kohli.
Ab 2025 steht für legal-i die Vermarktung der Software im Vordergrund. In den DACH-Ländern hat das Unternehmen bereits erste Kunden, in den USA steckt es noch in der Pilotphase. Bis 2028 möchte es die Vereinigten Staaten erobern, denn: «Wer es dort schafft, schafft es überall», wie Kohli lachend sagt. Für die kommenden Jahre prognostiziert legal-i eine jährliche Verdreifachung des Umsatzes. Das Marktpotenzial ist riesig: «Wir rechnen mit 17 bis 20 Milliarden Franken weltweit.»